Integrative Regelschulen, Aus- und Weiterbildungsstätten

In der Schule lernt man nicht nur Schreiben und Lesen. Man findet dort auch Freunde und Freundinnen, lernt, wie man miteinander umgeht, und erwirbt sich viel Rüstzeug für das Leben. Eine zentrale Forderung der Gleich­stellung ist, dass Kinder und Jugendliche mit oder ohne Behin­de­rungen diesen Lernprozess nicht getrennt, sondern möglichst gemeinsam durchlaufen. Dies stärkt das Selbstwertgefühl von Menschen mit Behin­de­rungen und befähigt sie zur wirklichen Teilhabe an einer freien Gesellschaft. Aber auch Nicht­behinderte profitieren davon, indem sie bei­spiels­weise das Leben von Menschen mit Behin­de­rungen besser kennen lernen.

Für die UNO-Behinder­ten­rechts­konvention ist das Recht von Menschen mit Behin­de­rungen auf integrative Bildung auf allen Ebenen ein wesentlicher Faktor für die Gleich­stellung. Ein solches Bildungssystem führt zu einem gemeinsamen Unterricht für Kinder mit und ohne Behin­de­rung. Be­hin­derte Kinder und Jugendliche erwerben dabei lebens­praktische Fertigkeiten und soziale Kompetenzen, die ihnen das gleich­berech­tigte Leben in der Gesellschaft erleichtern. Umgekehrt entwickeln alle anderen Schüler einer Klasse eine gesunde Einstellung gegenüber Personen mit Behin­de­rungen. Gemeinsame Schulangebote ermöglichen einen Lebensraum, der der zukünftigen Generation einen wichtigen Grundstein für gegenseitiges Verstehen, Lernen und Spielen legt.

Die Integration beginnt bereits im Vorschul­bereich. Alle Kinder sollen im Sinne der Gleich­stellung die Möglichkeit haben, wohnortnah eine ausserfamiliäre Einrichtung im Vorschulalter zu besuchen. Eltern erfahren durch die Öffnung von bestehenden Angeboten für ihre Kinder mit Behin­de­rungen eine Entlastung in der anspruchsvollen Betreuung. Be­hin­derte Kinder entwickeln sich in normalen Kitas oft schneller, als wenn sie in einer Spezialeinrichtung untergebracht sind.

Einen besonders hohen Stellenwert für das Zusammenleben hat die Regelschule. Auch dort ist deshalb für eine weitgehende Integration behinderter Kinder zu sorgen. Der Zugang zu Regelschulen, vor allem bei älteren Schulbauten, ist heute vielfach noch durch archi­tek­to­nische Barrieren erschwert. Zudem besteht in vielen Schulen keine aus­reichen­de Bereitschaft, auf das reduzierte Arbeitstempo und Leistungs­schwächen behinderter Kinder im Unterricht einzugehen. Viele Menschen mit einer Hör- und Seh­behin­de­rung sind auf entsprechende Hilfsmittel angewiesen, die an vielen Orten noch fehlen.

Gemäss Behinder­ten­rechts­konvention sollen die Vertrags­staaten sicherstellen, dass «Menschen mit Behin­de­rungen gleich­berech­tigt mit anderen […] Zugang zu einem integrativen, hochwertigen Unterricht an Grundschulen und weiter­führen­den Schulen haben». Dabei ist der Unterschied­lichkeit besondere Rechnung zu tragen. Es sind «angemes­sene Vorkehrungen für die Bedürfnisse des Einzelnen» zu treffen, um ihm bzw. ihr so eine erfolgreiche Bildung zu ermöglichen. Durch entsprechend angepasste Inhalte, Methoden, Strukturen und Strategien des Lernens können die gesetzten Lernziele erreicht werden.

Weiter sollen die Vertrags­staaten, die die Behinder­ten­rechts­konvention ratifiziert haben, beachten, «dass Menschen mit Behin­de­rungen ohne Diskriminierung und gleich­berech­tigt mit anderen Zugang zu allgemeiner Hochschul­bildung, Berufsausbildung, Erwachsenenbildung und lebenslangem Lernen haben. Zu diesem Zweck stellen die Vertrags­staaten sicher, dass für Menschen mit Behin­de­rungen angemessene Vorkehrungen getroffen werden.» Erforderlich sind also hindernisfreie Gewerbe- und Fachhochschulen, Universitäten, aber auch private Ausbildungsstätten. Zudem sind während des Studiums und bei den Prüfungen entsprechende Nachteilsausgleiche zu gewähren.