Offene Kultur

Kultur öffnet den Blick für andere Perspektiven und schafft Raum für neues Denken und Handeln. Sie zeigt, was Menschen gestaltend hervorbringen. Sie baut Brücken und verbindet uns in unserer Verschiedenheit miteinander. Umso wichtiger ist es, dass alle an Kultur teilhaben können und die Vielfalt unter den behinderten Kunstschaffenden gefördert wird. Eine bewusste Auseinander­setzung mit den Erfahrungen und Lebens­welten von Menschen mit Behin­de­rungen führen zu neuen Erkenntnissen. Sie verhelfen allen Besuchern dazu, Meinungen zu überdenken und Vorurteile abzubauen.

Bauliche und organisatorische Mängel in den Kulturstätten sind immer noch eines der grössten Probleme von Menschen mit Behin­de­rungen beim Besuch von Konzerten und Theatervorführungen. Hauptsächlich liegt dies an der mangelnden Sensibilität oder Unwissenheit der Veranstalter von Kulturanlässen. Gefragt sind daher mehr Kontrolle und Beratung, denn die gesetzlichen Regelungen für eine Anpassung sind vorhanden. Menschen mit Behin­de­rungen treten aber nicht nur als Besucher auf, sondern auch als Künstler, Artist usw. Ein hindernisfreies Gebäude nimmt diesen Aspekt auf und berücksichtigt auch hinter den Kulissen die Anliegen von Menschen mit Behin­de­rungen.

Leider fehlen immer noch häufig zweckmässige Informationen über die Veranstaltungen selber oder die dafür gewählten Räumlichkeiten. Menschen mit Behin­de­rungen können sich deshalb oft nicht ausreichend über das Kulturangebot informieren. Um die kulturelle Teilhabe zu verbessern, spielt daher eine gezielte Kommu­ni­ka­tion für diese Gruppe eine zentrale Rolle. Davon profitieren auch andere Bevölkerungs­gruppen, insbesondere ältere Menschen.

Ein Nebeneffekt der zunehmenden Integration von Menschen mit Behin­de­rungen ist, dass zwischenzeitlich zahlreiche Theater- und Musik­gruppen entstanden sind, in denen behinderte Menschen mitwirken. Die künstlerischen Arbeiten dieser Teilnehmer werden immer professioneller und fassen dadurch immer mehr auch Fuss in den Programmen der üblichen Theater und Konzertbetriebe. Eine Folge davon ist, dass die Welten der Behin­derten­ und der Nichtbehinderten immer mehr zusammen­fliessen. Während früher oft nicht behinderte Schauspieler die Rolle eines behinderten Menschen spielen mussten, kommt es heute immer öfter vor, dass diese Rolle mit einem behinderten Menschen besetzt wird. Das Schauspiel wird dadurch authentischer und realistischer, was ja oft auch die Aufgabe eines Theaters ist. Auch unter den Musik­gruppen finden sich immer mehr Bands, in denen Menschen mit Behin­de­rungen mitspielen. Für viele ist dies eine gute Gelegenheit, sich in einer anderen Form darzustellen, als nur sprachlich.

Damit Menschen mit Behin­de­rungen am kulturellen Leben teilhaben können, müssen sie in die Mitte des Geschehens geholt und miteinbezogen werden. Behin­de­rung ist kein Sonderfall, sondern ein Teil menschlicher Vielfalt. Diese Vielfalt wird zum Erfolgsfaktor, wenn Fähigkeiten und Potenziale jedes und jeder Einzelnen gezielt eingesetzt und produktiv genutzt werden. Kulturelle Projekte eignen sich im besonderen Masse dafür. Deshalb müssen sich Kulturförderung und Sponsoring öffnen. Viele kulturelle Projekte werden von staatlichen und privaten Stellen gefördert. Menschen mit Behin­de­rungen sollen die gleichen Möglichkeiten haben, Förderung zu erhalten, wie Menschen ohne Behin­de­rungen.

Das sieht auch die UNO-Behinder­ten­rechts­konvention vor. So verlangt bei­spiels­weise der Paragraph 30 der Konvention, dass die Vertrags­staaten geeignete Mass­nahmen treffen, «um Menschen mit Behin­de­rungen die Möglichkeit zu geben, ihr kreatives, künstlerisches und intellektuelles Potenzial zu entfalten und zu nutzen […].»